1. Allgemeines


2. Die Theorie der Stereofotografie



Die Möglichkeit, den Raum um uns räumlich erfassen zu können, ist uns gegeben, da wir mit zwei Augen aus leicht unterschiedlichen Perspektivzentren (dem Augenabstand) die Dinge betrachten. Durch diesen kleinen perspektivischen Unterschied wird in unserem Gehirn diese Wahrnehmung räumlich verarbeitet.
Jedoch wird dieser perspektivische Unterschied, den unseren beiden Augen erfassen, mit der Entfernung der Dinge immer geringer. Somit können wir auch nur bis zu einer bestimmten Entfernung räumlich sehen. Diese Entfernung liegt bei ca. 50 m. Alle Dinge, die weiter entfernt sind, werden ausschließlich durch die sogenannte monokulare Tiefenwahrnehmung , auf die weiter unten noch eingegangen wird, räumlich unterschieden.

In der Stereofotografie finden dieser Zusammenhänge in gleicher Weise Anwendung.

Die geometrischen Verhältnisse, wie sie bei Aufnahmen mit einer Stereokamera gegeben sind, zeigt Abbildung 2.1.

 Abb.2.1:
Die Darstellung wurde so gewählt, dass der nächste und der fernste Punkt auf der optischen Achse des linken Objektivs liegt. Diese Punkte fallen daher im linken Halbbild auf identische Stellen des Films. Weiterhin ist zu erkennen, dass im rechten Halbbild diese Punkte auf unterschiedlichen Stellen des Films fallen. Der Abstand dieser beiden Punkte auf dem Film wird als Deviation [D] bezeichnet.
Durch die Größe der Deviation wird die Tiefe, die räumlich unterschieden werden kann, bestimmt. Ist die Deviation gleich null, handelt es sich nur um ein Flachbild und wir können keine binokularen räumlichen Tiefenunterschiede im Bild wahrnehmen. Je größer die Deviation ist, deto größer ist auch unsere Tiefenwahrnehmung. Jedoch darf die Deviation nicht zu groß werden.

Dazu gibt es folgenden Grund:
Bei der räumlichen Betrachtung unserer Umwelt unterscheiden wir die Akkommodation und die Konvergenz.
Unter Akkommodation versteht man die Scharfstellung der Augen auf die Entfernung der Dinge, die wir gerade betrachten und unter Konvergenz die Neigung unserer beiden Augen zu dem Punkt, auf den wir dabei blicken. D.h. wenn wir ins Unendliche blicken, stehen unsere beiden Augenachsen parallel und beide Augen stellen auf unendlich scharf. Blicken wir jedoch auf einen Gegenstand, der sich in unserer Nähe befindet, neigen sich unsere Augenachsen gegenläufig auf diesen Punkt. Die Schärfe stellt sich ebenfalls auf diesen Punkt ein.
Bei der Betrachtung von Stereobildern sind diese beiden Vorgänge getrennt und nicht wie beim natürlichen Sehen miteinander gekoppelt. Der Raumeindruck bei der Betrachtung von Stereobildern wird dadurch aber in keiner Weise geschmälert, wenn die Deviation nicht zu groß wird.

In der Fachliteratur wird ein maximaler Wert für die Deviation von 1,2 mm bzw. 1,5 mm für das Kleinbildformat 24 x 36 mm2 angegeben.
Ich bin der Meinung, dass man im Allgemeinen von einem maximalen Wert von 1,2 mm für die Deviation ausgehen kann. Das heißt, dass im gerahmten Stereobild identisch Fernpunkte beider Halbbilder maximal 1,2 mm in Bezug auf die seitliche Rahmenbegrenzung weiter auseinander liegen dürfen. Dadurch sind auch die Bedingungen für das stereoskopische Scheinfenster gegeben. Sollen Dinge aus dem stereoskopischen Scheinfenster herausragen, kann eine maximale Deviation von 1,5 mm zugelassen werden. Die maximale Deviation zwischen Rahmenbegrenzung und identische Fernpunkte sollte aber dennoch nicht größer als 1,2 mm sein. Liegen die Fernpunkte im stereoskopischen Scheinfenster und der gesamte Raum des Stereobildes befindet sich davor, sollte ebenfalls die maximale Deviation nicht größer als 1,2 mm sein. Das heißt, nur wenn sich der Raum von hinten durch das stereoskopische Scheinfenster nach vorn erstreckt, kann eine maximale Deviation von 1,5 mm zugelassen werden. Aus ästhetischen Gründen sollte lediglich darauf geachtet werden, dass Dinge, die aus dem stereoskopischen Scheinfenster herausragen, nicht angeschnitten sind, sondern frei in den Raum ragen.

Weitere Informationen zur maximalen Deviation finden Sie im Abschnitt " 4.5.1. Die geometrischen Zusammenhänge bei der Stereoprojektion und die sich daraus ergebende maximale Deviation ".

Eine weitere wichtige Größe ist die stereoskopische Basis [B]. Es ist der Abstand der Objektivachsen unserer Stereokamera. Der Abstand unserer Augenachsen ist im Durchschnitt 65 mm. Daraus kann man ableiten, dass die stereoskopische Basis auch ca. 65 mm betragen muss, um eine natürliche Raumdarstellung zu erhalten. Was geschieht jedoch, wenn die stereoskopische Basis bei der Aufnahme wesentlich kleiner oder größer als 65 mm ist?

2.1. Gigantismus und Liliputismus


Wählt man eine Aufnahmebasis, welche wesentlich größer ist als unser Augenabstand, so sind bei der Betrachtung dieser Aufnahme die gleichen Bedingungen vorhanden, als würde unsere Welt von einem Riesen betrachtet. Dessen Augenabstand wäre ja auch wesentlich größer als der unserer Augen. Dieser Riese würde unsere Welt wie eine Modelleisenbahnanlage sehen. Alle Gegenstände wären für ihn nur winzig und die Räumlichkeit wäre über große Entfernungen zu erkennen. Genau diesen Zustand erblicken wir, wenn wir uns eine Stereoaufnahme ansehen, welche mit einer sehr großen Basis aufgenommen wurde. Daher nennen wir diesen Effekt Liliputismus.
Genau den umgekehrten Fall haben wir bei der Betrachtung einer Stereoaufnahme, welche mit einer wesentlich geringen Basis als unser Augenabstand aufgenommen wurde. Wir haben den Eindruck, als wären wir in einer Welt der Zwerge. Alle Gegenstände würden uns gigantisch erscheinen. Daher nennen wir diesen Effekt auch Gigantismus.

Der Konvergenzwinkel bei Betrachtung eines Punktes, den wir gerade noch räumlich unterscheiden können, ist immer gleich. Somit können wir bei Betrachtung von Aufnahmen, welche mit einer kleinen Basis aufgenommen wurden, nur bis zu einer geringen Tiefe räumlich unterschieden. Bei Betrachtung von Stereobildern welche mit einer sehr großen Basis aufgenommen wurden, ist die räumliche Unterscheidungsfähigkeit bis zu einer großen Entfernung möglich.
Wenn wir die Bewegung der Erde um die Sonne als Basis nutzen, können wir sogar räumlich in die Tiefen des Universums fotografieren.
Da die Größe der maximalen Deviation eingehalten werden muss, rückt, je größer die Basis wird, der nächste Punkt, der im Bild erscheinen darf, immer weiter von uns weg.
Die geometrischen Verhältnisse bei der Aufnahme sind immer gleich und lassen sich berechnen.

2.2. Berechnung der geometrischen Verhältnisse bei einer Stereoaufnahme




Die stereoskopische Tiefenzone kann wie folgt berechnet werden:




Berechnung der stereoskopischen Basis:




oder



Bei Nahaufnahmen muss mit folgender Formel gerechnet werden:




Berechnung der stereoskopischen Basis, wenn der Fernpunkt im Unendlichen liegt:





Folgender Tabellen können Werte für die geometrischen Verhältnisse einer Stereoaufnahme entnommen werden:


Nahpunkt in Abhängigkeit von Basis und Brennweite, wenn der Fernpunkt unendlich weit ist

D=1,2 mm


Nahpunkt Basis
Brennweite 6,5 cm 10 cm 20 cm 50 cm 1 m 3 m 5 m 10 m
35 mm 1,9 m 2,9 m 5,8 m 15 m 29 m 87,5 m 146 m 292 m
50 mm 2,7 m 4,2 m 8,3 m 21 m 42 m 125 m 208 m 417 m
80 mm 4,6 m 7,1 m 14,2 m 35 m 71 m 212,5 m 354 m 708 m
135 mm 7,3 m 11,2 m 22,5 m 56 m 112,5 m 337,5 m 562 m 1125 m



3. Aufnahmetechnik


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